Kommentatort 78: Tatort „Die Wahrheit stirbt zuerst“

Der Leipziger Tatort „Die Wahrheit stirbt zuerst“ ist eine spannende Geschichte. Kommissarin Saalfeld gewinnt Farbe, Keppler hat Stress mit der Ex-Ex.

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Wer hat dieses Mädchen getötet? Ihr Vater, der sich die Pulsadern aufschlitzte, und, verblutend, dieses letzte aller Bilder seiner Tochter sieht? Vielleicht war es der neue Partner der Mutter der Toten; der hat einiges zu verbergen, etwa die illegale Ausfuhr von Raketentechnologien an Ägypten. Gerade so gut könnte es das Bundeskriminalamt gewesen sein. Die Anzahl Verdächtiger sorgt für die ersten beschwerdefrei verbrachten, spannenden neunzig Leipziger Tatort-Minuten.

Eine Siebenjährige wird von ihrem Mörder am Ufer eines Waldsees zur letzten Ruhe in ein verschneites Ruderboot gebettet. Die Mutter des Mädchens hat ihren in Trennung von ihr lebenden Mann im Verdacht. Er soll seine Tochter ermordet haben, weil er den Umzug seiner Frau samt neuem Partner und Tochter nach Ägypten nicht verkraftete. Unweit des Tatorts wird der Vater gefunden, halb verblutet, die Pulsadern aufgeschlitzt. Alles fügt sich zusammen. Um zu verhindern, dass der Tochtermörder stirbt, spendet Eva Saalfeld ihm einige Liter Blut. Die Obduktion des toten Mädchens fördert weitere Verdachtsmomente gegen den Vater zutage.

Aufdonnerung durch höhere Amtsstelle

Um den verdächtig in Richtung Familiendrama driftenden Tatort aufzudonnern, meldet sich eine Kollegin vom Bundeskriminalamt bei den Leipziger Komissaren. Es handelt sich um die Ex-Ex von Keppler, klar, schliesslich muss der mal wieder seine Grummeligkeit unter Beweis stellen. Die BKA-Beamte verlangt ultimativ von Saalfeld und Keppler, in die Ermittlungen eingebunden zu werden. Sie zaudert nicht, wenn etwas nicht in ihrem Sinne läuft; sie versucht, die Ermittlungen ganz an sich zu reissen.

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Die blutleere Eva spendet Blut: Welche Ironie, dass es die Spende mehrerer Liter frisch abgezapften Blutes braucht, um Leben in die farblose, lebensleere Leipziger Kommissarin zu bringen. Sie opfert sich, um dem Kindsmörder zu retten. Kaum dass Eva Saalfeld sich, das versteht sich, erholt hat von der Blutspende, steht sie aus dem Krankenbett auf und macht sich wieder an die Arbeit.

Unverwertbare Beweise und illegale Geschäfte

Das BKA überwacht den neuen Lebenspartner der Mutter der Toten seit längerer Zeit, wegen Verdacht auf illegale Waffengeschäfte. Es geht um die Ausfuhr verbotener Technologien nach Ägypten, Bauteile, die zur Steuerung von Raketen einsetzbar sind. Die Beweise des Bundeskriminalamts, in der Grauzone zwischen Recht und Unrecht gesammelt, sind nicht gerichtlich verwertbar. Zwar deuten ihre Hinweise in Richtung des Täters; trotzdem bleibt die Frage, wie der Mörder überführt werden kann, ohne auf solche Beweise zurückzugreifen.

Geheimdienstfatzken und weitere Klischees

Die Tatsache, dass neunzig Prozent aller Mörder im Umfeld der Opfer zu suchen sind, wird im Tatort „Die Wahrheit stirbt zuerst“, gerade am Anfang, etwas gar hartnäckig betont. Man weiss sofort als Zuschauer, dass es so einfach nicht sein kann. Dieser Verdacht erhärtet sich: Der erste Geheimndienstfatzke, der vorstellig wird und von hieb- und stichfesten Beweisen gegen diesen oder jenen Verdächtigen salbadert, der muss es gewesen sein. Der grosssprecherische Titel „Die Wahrheit stirbt zuerst“ lässt keinen anderen Schluss zu.

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Keppler zwischen Ex (r.) und Ex-Ex. Was es mit der energischen Blondine vom Bundeskriminalamt auf sich hat, kristallisiert sich erst im Laufe des erfrischend spannenden Abends heraus. Nach anfänglichem Knatsch spielt sich eine Zusammenarbeit zwischen den Kommissaren und den Schnüfflern vom BKA ein. Zusehends jedoch wird man den Eindruck nicht los, dass das BKA tiefer verstrickt sein könnte, als man vermutete.

Was vom Tatort „Die Wahrheit stirbt zuerst“ bleibt

Es ist eine gehobene Ironie, dass die stets so blutleere Kommissarin Saalfeld (Spezialgebiete: Arme-auf-die-Hüfte-Stützten und Schnuten-Ziehen) ausgerechnet nach der Spende von zwei Liter Blut so etwas wie Farbe und Temperament entwickelt. Dass es mal einen spannenden Leipziger Tatort geben wird, hat der Kommentatort nach der Vorarbeit nicht kommen sehen.

Note auf der «Wie-einst-Lily»-«Nie-wieder-frei-Sein»-Skala*: 5.

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