Der neue Konstanzer Tatort „Letzte Tage“ hebt sich ab vom sonst hier gepflegten Murks. Der Auftritt des Schweizer Ermittlers Matteo Lüthi hilft dabei sehr.
Ein Toter auf der Autofähre, die, aus Romanshorn kommend, in Konstanz anlegt. Das Spurenbild ist undeutlich: der Tote war schon vor dem Tod so gut wie tot, litt an Leukämie im Endstadium. Es kann sein, dass er Suizid beging. Gegen diese These spricht, dass der Thurgauer Tatort-Schnüffler Matteo Lüthi beim Ankommen von Klara Blum und Kai Perlmann auf der Autofähre herumwuselt, Beweise an sich reisst und wissen lässt, dass der Tote auf der Fähre Selbstmörder sei und damit basta.
Viele Interessen kreuzen sich
Die üblichen Scherereien zwischen Blum und Lüthi treten ein: Frau Blum – ganz das Orakel vom Bodensee! – vertraut ihrem Bauchgefühl: sie beginnt Ermittlungen im Umfeld einer Konstanzer Leukämie-Selbsthilfegruppe. Mit der war der Tote verbunden. Wie sich herausstellt, war der Tote an einer meidzinischen Studie für ein neues Medikament beteiligt. Ob sein Tod damit in Zusammenhang steht? Was hat es mit der Schweizer Pharma-Firma auf sich? Wie weit geht der Vater eines an Leukämie erkrankten Jungen, um seinen Sohn zu retten?
Handschellen ja, aber nur zum Ulk
Die Herstellerfirma des Medikaments wurde erpresst. Der Fall ist so gravierend, dass der schweizerische Geheimdienst behilflich ist, ihn zu handhaben. Während sich Kommissarin Blum und Matteo Lüthi unzertrennlich geben und ulkige Handschellen-Spielchen spielen, geht Kai Perlmann auf eigene Weise vor. Von einer Sinnkrise heimgesucht, gibt er sich einer unwiderstehlich engagierten Medizinstudentin hin.
Vom Aufblühen eines Kleiderständers
Es fährt Leben in den wandelnden Kleiderständer an Frau Blums Seite. Perlmann schleppt die Studentin ab, man geht ins Kino, ein Techtelmechtel in der Mitternachtsvorstellung folgt: das Ende kommt jäh und brutal, in Form eines blutigen Krankheitsanfalls. Deshalb engagiert die nymphomanische Studentin sich so in der lokalen Leukämie-Selbsthilfegruppe – weil sie selber daran erkrankt ist. Andere Fragen bleiben länger offen: Etwa, warum Matteo Lüthi für einen Pharmakonzern eintritt, was der Tote auf der Fähre machte, und was die Selbsthilfegruppe im Schilde führt.
Was vom Tatort „Letzte Tage“ bleibt
Der Tatort „Letzte Tage“ überrascht wie wie der Leipziger Tatort „Die Wahrheit stirbt zuerst“ von letzter Woche. Beide sind rare Tatorte, die längst abgeschriebene Ermittlergespanne in packenden Fällen zeigen. Wer die, ach! wie selbstlose Pharma vor Ausstrahlung eines Tatorts so engagierte Gegendarstellungen proklamieren lässt, hat einen wunden Punkt getroffen. Mehr als bei jedem anderen Tatort, ganz bestimmt aber viel mehr als beim handelsüblichen Konstanzer Tatort, gilt jedoch beim Tatort „Letzte Tage“: zuerst zu Ende schauen, dann Meinung bilden. Gerade das Zu-Ende-Schauen kann der Kommentatort bei diesem Konstanzer Tatort endlich ohne schlechtes Gewissen empfehlen.
Note auf der «Wie-einst-Lily»-«Nie-wieder-frei-Sein»-Skala*: 5.25
Mit der 79. Rezension in etwas mehr als zwei Jahren verabschiedet sich der Kommentatort in die Sommerpause. Weiter geht es am 18.8.2013, mit dem neuen Luzerner Tatort. Wem die Pause zu lange währt, wende sich an www.tatort-fundus.de oder gebe auf Youtube den Suchbegriff „Tatort volle Länge“ ein.
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