Kommentatort 17

«Eigentlich möchte Frau Blum den Mörder kennenlernen»

Es gibt Tatorte, die den Täter bewusst von Anfang an zeigen, weil sich mit dieser Wissensverteilung die intelligenteren Krimis machen lassen, und es gibt Tatorte, die sich als intelligente Krimis verkleiden, den Täter aber so ungewollt früh preisgeben, dass neunzig Minuten Ermittlung nur noch als tapfer abgespulte Selbstparodie bezeichnet werden können.

Zu dieser Gattung gehört der aktuelle Konstanzer Tatort «Das schwarze Haus». Darin geht es um eine Mordserie, die nach den Romanen eines bekannten Krimiautors vonstatten gehen. Da wird ein Maler mit einem Stromschlag hingerichtet, als er barfuss durch Schlick und Moder watschelt, um den vom Mörder präparierten Stromsicherungskasten in Ordnung zu bringen. Die Methode ist so tückisch wie bekannt, eben aus einem Roman des Krimiautors, der den toten Maler findet. Also, denkt man, ist er auch der Täter: Wahrscheinlich wollte der Autor gegen seine Schreibblockade vorgehen. Aber nein, das geht nicht, der erstbeste Verdächtige ist nur dann der Mörder, wenn er sich in seiner Nebenfunktion als alleinerziehender Vater und Bewohner einer stattlichen Residenz nicht auch noch um seinen unter Autismus leidenden Sohn kümmern muss.

Weil aber die Idee mit dem mordenden Schreiberling so schön ist, lernen wir bald das klobrillenbärtige Verlierer-Alter-Ego des Grossschriftstellers kennen. Spätestens, wenn man sieht, wie der von seinem erfolgreicheren Kollegen an einer Vorstandssitzung des gemeinsamen Kulturvereins wie ein Ochse am Nasenring herumgeführt wird, ist klar: Das ist der Mörder. Natürlich gibt sich dieser alle Tatort Mühe, über diese Gewissheit hinwegzutäuschen. Tatsache aber bleibt: Wenns nicht der Autor war, muss es sein leer ausgegangener Gegenspieler sein. Zumal der allen Grund hat, sauer auf den anderen zu sein, wurde er von ihm doch abgezockt und erst noch um die besten Krimi-Ideen geprellt. Man sieht, die Kunst, das ist ein Haifischbecken, wenn auch der Bodenseefelchen der grösste darin vorkommende Raubfisch ist.

Weitere Morde geschehen, stets nach Vorlage eines Krimis des Schriftstellers: Da wird eine Vorstandsvorsitzende des Kulturvereins gepfählt und ein Komponist in die Luft gesprengt. Knapp entgeht der Erfolgsautor einem Mordanschlag: Gerade, als er zu nächtlicher Stunde vorm Laptop sass und unter Einfallslosigkeit litt, ballerte einer mit dem Scharfschützengewehr auf ihn: Genauso, wie es in seinem neuen Krimi der Fall sein wird. Wer aber kann, ausser der Werbeabteilung seines Verlags, sonst noch Kenntnis haben vom Inhalt seines ungeschriebenen Romans? Richtig: So ziemlich der ganze Bodenseeraum, denn mit Bescheidenheit ist besagter Schriftsteller nicht gesegnet.

Seine hellsten Momente hat dieser gründlich missratene Tatort in den Bildern, die vom Hamster des Mörders zu sehen sind. Wenn jemand einen Nager darauf abrichtet, wie ein Irrer sich in seinem Laufrad abzustrampeln, kann das nur ein klobrillenbärtiger Provinzbuchstabenreiher und Serienmörder sein. Trotzdem gehört es zu den sehenswerteren Bildern der diesjährigen Tatorte, wenn der Bewegungseifer und Schattenwurf eines Hamsters so viel über einen Tatortmörder aussagt. Auch die Idee, dem Krimischriftsteller ein menschelndes, besorgt-väterliches, zweites Antlitz zu verleihen, ist nett – wenn es auch, wie oben festgestellt, die einzige Spannungsquelle des Films eliminiert. Der wiederkehrende Schenkelklopfer mit Frau Blum, die mit stoischer Gelassenheit aufs Schwabenmeer rudert, um dort ohne Bewilligungsschein zu fischen, und dabei andauernd von ihrem Assistenten Perlmann gestört wird, der mit der Nachricht vom nächsten Mord eintrudelt, ist putzig. Denn eigentlich, das wissen wir ja alle, will Frau Blum den Mörder kennenlernen, fischen bedeutet ihr nichts, es ist nur ein Platzhalter, der Privatleben markieren soll. Bleibt zu hoffen, dass die in Bälde programmierte Umkehrung der hier an den Tag gelegten Fiktion durch Henning Mankell sich mehr Mühe geben wird: Die angekündigten Mordarten deuten leider aufs Gegenteil.

Note auf der «Wie-einst-Lily»-«Nie-wieder-frei-Sein»-Skala*: 2.

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