Kommentatort 65: Tatort „Puppenspieler“

Der neue Bremer Tatort „Puppenspieler“ verbindet Libido und Flussvertiefungen. Ausserdem wird ein prominenter Abgang angedroht. Der beste aus Bremen seit Längerem.

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Lürsen (Sabine Postel) und Stedefreund (Oliver Mommsen) verstossen im Tatort „Puppenspieler“ gegen eine eiserne Krimiregel. Wer den hierarchisch übergeordneten Ermittlern des Bundeskriminalamts zu viel Raum lässt, um im Hintergrund die Fäden zu ziehen, wird an die Wand gespielt. Gut, niemand konnte ahnen, wie gut die BKA-Ermittlerin mit den knallroten Lippen und dem sprechenden Namen (englisch auszusprechen!), Sigrid Strange (Katja Danowski), vernetzt ist, mitunter bis in allerhöchsten Kreise. Auch ist es unwahrscheinlich, dass sie sich mit regelmässigen gemeinsamen Kaffeepausen und sonstigen Kollegialitäten hätte abbringen lassen von ihrem teuflischen Plan. Fürs Rumknuddeln wie für das aktive Verbessern der Gruppendynamik ist sowieso der langhaarige Bartträger, Kriminalassistent Karlsen (Winfried Hammelmann), zuständig. Wetten, dass er die Lürsen rumkriegt, und wetten, dass es ihr nicht schadet?

Bremen kocht. Sogar die schläferige Kommissarin Lürsen steckt sich im Tatort „Puppenspieler“ eine Trillerpfeife in den Mund und engagiert sich gegen eine Weservertiefung, die Transportschiffen zu besseren Verkehrsmöglichkeiten verhelfen soll. Zwecks Streitschlichtung wird ein Komitee hochrangiger Richter nach Bremen geladen. Ausgerechnet von deren Vorsitzenden, dem bis zur Unkenntlichkeit ehrgeizigen Karrieristen Konrad Bauser, taucht ein Handyvideo auf. Es zeigt ihn im Bett mit einer minderjährigen Prostituierten.

Erpressung und eiskalte Profikiller

Bauser wird erpresst. Soll das Video geheim bleiben, muss er Kohle rüberwachsen lassen. Doch der Richter tätigt ein paar Telefonate und weckt eine Truppe eiskalter Killer auf. Kurz darauf ist der Erpresser tot. Lürsen und Stedefreund beginnen ihre Ermittlungen. Nicht lange, und das Mädchen vom Erpresservideo taucht auf. Ein Killer versucht auch sie zu eliminieren, scheitert jedoch. Das Mädchen gibt den Ermittlern den Hinweis auf den Richter. Da der jedoch für die Tatzeit ein hieb- und stichfestes Alibi hat, müssen die Kommissare erst einmal von ihm lassen.

Schwindelerregend hoher Vernetzungsgrad

Bald stellt sich heraus, dass der Richter Bauser nicht nur von den jugendlichen Amateuren in die Mangel genommen wurde. Ausserdem scheinen auch andere Kreise ihn zu beschnüffeln. Neben ihnen gewinnen auch die geheimnisvollen, geheimdienstlich organisierten Killer immer mehr Einfluss auf die Handlung. Es scheint kein Hindernis zu geben, welches sie nicht aus dem Weg räumen können. Ihr Einfluss und ihre Vernetzung reicht bis in schwindelerregend hohe Höhen von Politik und Polizei.

Vorlage? Terrorzellen und Phantome!

Mit der Figur der strippenziehenden BKA-Ermittlerin sowie mit der von ihr kommandierten Truppe skizziert der Tatort „Puppenspieler“ eine beklemmende Zukunftsvision: Was, wenn das Recht in die Hände weniger, privilegierter Stellen gelegt wird, die nach eigenem Ermessen schalten und walten? Offensichtlich haben sich die Macher des Tatort „Puppenspieler“ an realen Fällen orientiert: einmal an der NSU-Terrorzelle, und dann auch am Fall des „Heilbronner Phantoms„, jener beruflich unterforderten Abpackerin von Wattestäbchen, die Heerscharen von Forensikern an der Nase herumführte mit ihrem ‚Streich‘. Der perfekte Mord, wie er im Tatort „Puppenspieler“ vorgezeigt wird, wird von eiskalten Bullen ausgeführt, die ganz bewusst die verwirrendsten DNS-Spuren hinterlassen.

Was vom Tatort „Puppenspieler“ bleibt

Der Tatort „Puppenspieler“ ist einer der besseren Bremer Tatorte (kein Wunder nach der letzten Ausgabe). Dass ausgerechnet in der Ausgabe, in der die Schlafwandlerin Lürsen auf Touren kommt, ihr Assistent einen mehrmonatigen Abstecher nach Afghanistan macht, schmerzt. Mit dem ‚Neuen‘ aber liegt eine gelungene Besetzung vor.

Note auf der «Wie-einst-Lily»-«Nie-wieder-frei-Sein»-Skala*: 4.5.

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